Burnout – eine Modeerkrankung?

Burnout verstanden als „Ausbrennen“ hat es wahrscheinlich in allen Epochen und in verschiedenen Kulturen gegeben. Freudenberger prägte 1974 den Begriff basierend auf Selbsterfahrungen und -beobachtungen. Er verstand darunter einen physischen und psychischen Abbau von Engagement und Leistung bei Personen, die sich meist ehrenamtlich sozial engagierten. Kurz danach etablierte sich eine Definition nach Christina Maslach bestehend aus drei Dimensionen: Emotionale Erschöpfung, Depersonalisation/Zynismus und verminderte Leistungsfähigkeit.

 

Da auch in jüngster Zeit wieder neue Burnout-Definitionen entwickelt wurden, sucht die Burnout-Forschung nach wie vor nach einer einheitlichen Definition. Dies lässt den Schluss zu, dass es wahrscheinlich mehr als eine Modeerscheinung des 21. Jahrhunderts ist.

 

Burnout ist aus medizin-wissenschaftlicher Sicht keine eigenständige Krankheit, und als solche weder in der „Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD)“ der WHO noch im „Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM)“ der American Psychiatric Association (APA) zu finden.

 

Daher existieren keine Leitlinien für die Behandlung. Der therapeutische Zugang sollte sich in der klinischen Praxis am bio-psycho-sozialen Modell orientieren und multimodal erfolgen, was bisher meist nur im (teil-) stationären Setting möglich ist.

 

Burnout ist gekennzeichnet durch das Kardinalsymptom Erschöpfung und kann als Reaktion von langanhaltenden emotionalen und interpersonellen Belastungen am Arbeitsplatz interpretiert werden, für die dem Individuum die Bewältigungsmechanismen fehlen. Es kann als Stressfolgeerkrankung mit gravierenden medizinischen und ökonomischen Folgen verstanden werden.

 

Gibt es einheitliche Definition für Burnout und Krankheit?

Ätiologisch liegen für das Phänomen Burnout verschiedene Erklärungsmodelle aus unterschiedlichen Perspektiven und Wissenschaftsrichtungen (Arbeits- und Organisationspsychologie, Differentialpsychologie, Stresswissenschaft, Soziologie, Sozialwissenschaften) zugrunde. Sie werden ergänzt durch individuenzentrierte Erklärungsansätze und ein subjektives Krankheitsmodell.

 

In den vergangenen rund 40 Jahren wurden zahlreiche Definitionen für Burnout entwickelt. Bis heute existiert keine einheitliche Definition für Burnout. Auch der Krankheitsbegriff ist unterschiedlich definiert. Aus medizinisch wissenschaftlicher Betrachtung sollen Krankheiten nach bestimmten Kriterien und Theorien eindeutig klassifiziert, erklärt sowie unterschieden und daraus passgenaue, bedarfsorientierte Therapien abgeleitet werden. Aus medizinphilosophischer und -soziologischer Sicht gibt es drei Perspektiven von Krankheit, die in Wechselbeziehungen stehen.

 

  • Illness persönliche Krankheitsperspektive (Selbsteinschätzung).
  • Disease professionelle, medizinisch-wissenschaftliche Perspektive.
  • Sickness soziale Perspektive, d. h. eine Rollendefinition durch soziale Normen und
    Institutionen und deren Veränderung durch Krankheit

 

Ist Burnout eine Krankheit?

Aus psychologisch-psychiatrischer Perspektive im Sinn des wissenschaftlich-medizinischen Begriffs disease ist Burnout keine Krankheit und nicht im ICD oder DSM als eigenständige Diagnose zu finden. Im ICD-10 ist es unter der Zusatzcodierung „Z73.0 Burnout“ erwähnt (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte [BfArM], 2020). Aus der sozialwissenschaftlichen Sicht verursacht das Burnout-Phänomen beträchtliche Kosten im Gesundheitssystem und kann im Sinn von sickness als Krankheit aufgefasst werden. Aus der Betroffenen-Perspektive wird im Sinn des Krankheitsbegriffs illness Burnout als ein erklärendes und entschuldigendes Paradigma für eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit und gestörte Befindlichkeiten beschrieben.

 

Wie wird Burnout diagnostiziert?

Für eine medizinische Diagnosestellung werden hauptsächlich Selbstbeurteilungsbögen verwendet, die den Gütekriterien für Fragebögen nicht genügen. Im Wesentlichen haben sich zwei Fragebögen etabliert:

 

  • Maslach Burnout Inventory (MBI)
  • Tedium Measure (TM)

Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) hat ein Konzept zur Burnout-Klassifikation mit dem Ziel entwickelt, gesundheitliche Beanspruchungen, die im Arbeitskontext auftreten, ICD-10-konform zu differenzieren. Das Modell ist in Abbildung 1 dargestellt:

 

 

Abbildung 1: DGPPN-Konzept zum Übergang von Arbeitsbelastung zur Krankheit (DGPPN, 2012, S. 4)

 

Wie sollte differentialdiagnostisch vorgegangen werden?

Aus der klinischen Perspektive ist Burnout durch das Kardinalsymptom Erschöpfung gekennzeichnet und wird von Depersonalisation und verringerter Leistungsfähigkeit begleitet. Da die weiteren Symptome unspezifisch und vielfältig sind, bedarf es einer umfänglichen, fundierten differentialdiagnostischen Abklärung zu den in Abbildung 2 dargestellten Erkrankungen mit Erschöpfungssymptomatik:

 

Abbildung 2: Differentialdiagnosen zum Burnout-Syndrom ( (Känel, 2008, S. 480)

 

Limitationen

Im Ergebnis existiert weder eine eindeutige Definition für Burnout noch valide und reliable Messinstrumente. Studienergebnisse sind daher häufig widersprüchlich. Es gibt meist nur Querschnittsstudien. Stichprobengrößen variieren stark und es werden nur bestimmte Berufsgruppen untersucht. Vollständige klinische Daten fehlen, da Burnout aus medizin-wissenschaftlicher Sicht keine Krankheit darstellt. Es bleibt unbeantwortet, wie Personen mit Burnout-Symptomen im Klinikalltag klassifiziert werden. Einen Anhaltspunkt kann die ICD-10-Zusatzcodierung Z73.0 liefern, die jedoch nicht zwingend vergeben werden muss.

 

Fazit

Zunächst bedarf es einer einheitlichen und (inter-)national validen Definition für Burnout als Grundlage für eine valide (Differential-)Diagnostik. Für gesicherte Erkenntnisse zu Prävalenz, Inzidenz, Ätiologie und Kostenrelevanz aus Sicht von Betroffenen, des Gesundheitssystems und der Gesellschaft sind weitere qualitativ hochwertige epidemiologische und ökonomische Forschungen notwendig.

 

Die Burnout-Ätiopathogenese sollte aus psycho-neuro-immunologischer Sicht weiter erforscht werden. In der Therapie sollten bio-psycho-soziale und multimodale Behandlungsansätze kontinuierlich weiterentwickelt werden und sowohl ambulant als auch (teil-)stationär zur Anwendung kommen.

 

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Wer schreibt hier?

Sabine Debusmann

M. Sc. für psychologische Medizin und komplementäre Medizin, .Heilpraktikerin, systemischer Coach, Supervisorin, CDMP, BGM-Managerin, Diplom-Kauffrau
Gabriela Rund

Gabriela Horvath

M. Sc. für psychologische Medizin und komplementäre Medizin, .Heilpraktikerin, CDMP, Expertin für Suchtprävention

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